Autismusshirt

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Samstag, 29. November 2014

Die riesige Freude über jedes neue Wort

Liebe Leser,
bei normal entwickelten Kindern ist die Familie begeistert, wenn zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr die Worte "Mama", "Papa", "Oma" und "Opa" aus dem Kindermund ertönen. Danach geht es Schlag auf Schlag, bis die Kleinen manchmal mit unendlich vielen Fragen und Kommentaren "nerven".
Doch wie riesig ist bei uns die Freude, wenn meine Enkelin mit fünf Jahren erstmals "Mama", "Oma" und "Opa" über die Lippen bringt. In der Logopädie hat sie das Wort "Opa" gelernt, obwohl sie in der Therapie nicht viel nachsprechen möchte. Dort lernt sie jedoch passiv extrem viel. Seit die Kleine seit einem halben Jahr regelmäßig zur Logopädie geht, versteht sie uns, was vorher nicht der Fall war. Anweisungen und Erklärungen gingen an ihr vorbei. Mittlerweile können wir ihr verbal so viel vermitteln, dass der Umgang mit ihr merklich entspannter geworden ist.
Doch der aktive Wortschatz scheint nur noch im Dornröschenschlaf zu liegen und wartet darauf, durch Anlässe aufgeweckt zu werden. Denn jeden Tag erleben wir nun Situationen, in denen meine Enkelin uns mit einem neuen Wort oder sogar einem kleinen Satz total überrascht und riesige Freude auslöst. Besonders aber scheint sie beim Zusammensein mit Fremden und im Kindergarten aktiver zu sprechen als zu Hause. Wir verstehen sie auch ohne Worte. Aber im Umgang mit anderen nützen ihr kein "äh" und "ah" und "ooo", um etwas zu bekommen und zu erreichen. Da gibt sie sich offensichtlich sehr viel Mühe, um aktiv verbal auszudrücken, was sie wünscht und braucht.
Unsere Freude darüber ist unbeschreiblich. Was wir nicht mehr zu hoffen wagten, scheint nun doch zu geschehen: Meine Enkelin wird wohl doch noch sprechen lernen. Wir lieben sie auch unendlich ohne verbale Kommunikation, doch wie viel leichter ist es in vielen Situationen, sich mit Worten verständigen zu können.
Trotzdem: Die Zeit der nonverbalen Kommunikation, die auch noch andauern wird, weil der Wortschatz noch sehr klein ist, hat auch nicht nur Nachteile. Wir haben das Kind und seine anderen Formen der Kommunikationsversuche intensiver beobachtet und kennen ihre Gesten und Gebärden, mit denen sie uns etwas sagen will. Das hat zu einer sehr starken Annäherung an meine autistische Enkelin geführt, von der beide Seiten sehr profitieren.
Einen schönen Sonntag.
Ilse Gretenkord       

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